Interview Zeitschrift Miss Moneypenny

Wer an Temporärarbeit denkt, hat oft das Bild von geringqualifizierten Aushilfskräften vor Augen, die sich von einer prekären Beschäftigung zur nächsten hangeln. Immer unsicher, wie es danach wohl weitergeht. Sich eine temporäre Stelle zu suchen, kommt darum in der Gedankenwelt vieler Menschen nicht vor.

Doch der Bedarf an temporären Mitarbeitenden steigt stetig. Schwierige Wirtschaftsverhältnisse, Unsicherheiten, Change, Globalisierung… Unternehmen suchen vermehrt nach flexiblen Lösungen, die anfallende Arbeit zu erledigen. In den letzten zwanzig Jahren ist das Volumen pro Jahr um durchschnittlich 9,7 Prozent gestiegen, so eine Studie von Swissstaffing, dem Verband der Personaldienstleister zur Temporärarbeit in der Schweiz.

Es findet ein Wandel statt: «Früher war das Wort temporär negativ behaftet. Heute sind fast alle unsere Kandidaten bereit, eine temporäre Stelle anzunehmen», beobachtet Caroline Bourgouin vom Personaldienstleister Page Personnel. «Aber die Deutschschweiz ist diesbezüglich noch immer eine Insel», lacht die Beraterin, «in Deutschland, Frankreich und in der Westschweiz ist Temporärarbeit bereits viel weiter verbreitet.» Sie gehe aber davon aus, dass sich das immer mehr ändert und die Temporärarbeit sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite an Ansehen gewinnt.

«Ich hatte richtig Glück»

Sara Di Liberto (28) arbeitet seit Dezember für Adato bei der Teleperformance AG als Assistentin der HR-Leiterin. Ihr Vertrag war zuerst auf drei Monate festgelegt, ist jetzt aber bis Juli verlängert worden.

«Ich hoffe, nach Ablauf meines Temporärvertrags hier übernommen zu werden und habe auch ein gutes Gefühl, dass das klappt. Für mich war der Einstieg über das Temporärbüro eine grosse Chance. Ich habe zwar das KV, habe danach aber im Einzelhandel gearbeitet. Dadurch fehlte mir natürlich Erfahrung im Büro und es war gar nicht so einfach, eine Stelle zu finden. Als ich mich beim Temporär-büro gemeldet habe, war ich anfangs skeptisch und hatte die Befürchtung, dass es dort nur Jobs für Geringqualifizierte gibt. Aber ich hatte richtig Glück! Ich bin Assistentin im HR und lerne jeden Tag etwas Neues dazu. Meine Chefin ist Engländerin, ich konnte also auch schon mein Englisch verbessern. Ich nehme an, dass es viel länger gedauert hätte, auf eigene Initiative einen solchen Job zu finden. Die Berater vom Temporärbüro kennen die Verantwortlichen in den Unternehmen und können dort auch ein gutes Wort für eine Kandidatin einlegen. Ich würde diesen Weg allen empfehlen, die kurzfristig einen Job suchen.»

Bereits heute ist es nach Angaben von Swissstaffing so, dass sich 45 Prozent der Temporärarbeitenden bewusst für diese Arbeitsform entscheiden, weil sie gerade zur aktuellen Lebenssituation passt. Vielleicht überbrücken sie damit die Zeit zwischen zwei Jobs oder verdienen noch etwas Geld, um anschliessend auf Reisen zu gehen. Die restlichen 55 Prozent arbeiten hingegen temporär, weil sie keine feste Stelle gefunden haben.

Auch im Assistenzbereich werden immer wieder Stellen temporär besetzt. Bourgouin und ihr Team vermitteln um die acht Stellen pro Monat. «In der Assistenz arbeiten viele Frauen. Oft wird eine Vertretung für den Mutterschaftsurlaub gebraucht. Es kommt auch vor, dass internationale Unternehmen eine neue Niederlassung hierzulande aufbauen und für diesen Prozess per sofort eine Office Managerin suchen, welche die verschiedenen Prozesse definiert und implementiert. Nach Abschluss der Prozessimplementierungen wird die Stelle oft nicht mehr benötigt», berichtet Bourgouin.

Chancen für Jüngere

Doch wie vertragen sich Temporärarbeit und Assistenz? «Das kommt auf die einzelne Stelle an. Eine Assistenzstelle auf GL-Stufe wird kaum temporär besetzt, dort braucht es viel zu viel Vertrauen und Vertrauen braucht viel Zeit. Darum macht es keinen Sinn, dort jemanden temporär zu vermitteln», findet Sirio Pavan von Adato, einem Personaldienstleister aus Winterthur. Doch es gibt ja auch Assistenzjobs, bei denen es nicht so vertraulich zugeht.

«Viel Ungewissheit»

Heike Schönfelder (43) arbeitet für Page Personnel seit September beim Technologieunternehmen Ecolab. Ursprünglich war sie für vier bis sechs Monate dort eingeplant, mittlerweile wurde ihr Vertrag bis Ende Juli verlängert.

«Die temporäre Anstellung wurde mir angeboten und, da ich bereits zwei Monate lang ohne Arbeit war, habe ich das Angebot gerne angenommen. Ecolab ist eine sehr interessante Firma und generell ist es immer einfacher, aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus einen neuen Job zu bekommen. Durch die temporäre Stelle bin ich beschäftigt, verdiene Geld und stehe sogar finanziell nicht schlechter da als in einer Festanstellung. Ausserdem hab ich die Möglichkeit, mich über den Weiterbildungsfonds für Temporärarbeitende in Projektmanagement weiterzubilden. 5000 Franken wurden mir zur Unterstützung genehmigt. Man geht in Vorkasse und nach Abschluss der Ausbildung wird das Geld ausgezahlt. Das ist eine gute Sache. Schwierig ist für mich die Ungewissheit, ob der Vertrag verlängert wird oder nicht. Bis ich das weiss, bleibt die temporäre Stelle eine Notlösung und ich muss mich weiterhin bewerben. Seit meiner temporären Beschäftigung ist mir nochmals klarer geworden, wie wichtig die persönliche Ebene in der Assistenz ist. Die Beziehung zwischen Chef und Assistentin lebt von Vertrauen und davon, Eigenheiten und Abläufe zu kennen. Es ist schwierig, Vertrauen aufzubauen, wenn beide Seiten wissen, dass man in ein paar Monaten vielleicht schon wieder weg ist. So behält der Chef die spannenderen und anspruchsvolleren Aufgaben eher bei sich, als sie zu delegieren, denn er weiss ja nicht, wie lange er die Hilfe noch hat. Obwohl genug Arbeit da wäre, stellen viele Unternehmen niemanden mehr ein. Gerade im Bereich Assistenz wird extrem gespart und versucht, die Kosten gering zu halten.»

Aber warum sollte sich eine Kandidatin überhaupt auf eine temporäre Stelle einlassen? «Dafür gibt es verschiedene Gründe. Jüngeren Assistentinnen zum Beispiel mangelt es oft noch an Erfahrung. Ist ein Unternehmen aber in einer Notsituation, schauen die Entscheider darüber eher hinweg und jemand bekommt eine Chance, die er sonst vielleicht nicht bekommen hätte», so Pavan. Auch Wiedereinsteigerinnen hätten es oft schwer, eine geeignete Stelle zu finden und auch, wer gern die Branche wechseln oder einfach in verschiedene Branchen reinschauen möchte, hat dank Temporärarbeit diese Möglichkeiten. Dadurch, dass Temporäragenturen oft die Entscheider in den Unternehmen kennen, haben sie sozusagen schon einen Fuss in der Tür – im Gegensatz zu einer einzelnen Bewerberin. «Temporärarbeiter profitieren auch davon, dass sie ihr berufliches Netzwerk ausbauen und neue Fähigkeiten erlernen können», betont Bourgouin.

Ausserdem steigen die Chancen auf eine Festanstellung. Darum sollten auch all jene, die auf Dauer einen festen Job suchen, nicht vor Temporärarbeit zurückschrecken, finden beide Berater. Denn sehr oft bleibt es nicht bei einem befristeten Einsatz. Viele Temporär-arbeitende werden nämlich von ihren Einsatzbetrieben übernommen, beobachten die Experten. Der Studie von Swissstaffing zufolge dauert der durchschnittliche temporäre Einsatz 13 Monate, 82 Prozent aller Temporärbeschäftigten sind nach spätestens zwei Jahren nicht mehr über Personaldienstleister angestellt.

Für Unternehmen ist das in mehrerlei Hinsicht attraktiv: Sie können Arbeitnehmer sozusagen risikofrei testen und müssen kein umständli-ches Recruiting mit hunderten Dossiers und zig Interviews auf sich nehmen. Und wenn es passt, kann der oder die Kandidation im Anschluss übernommen werden. «Wird ein Temporärarbeiter krank oder hat einen Unfall, hat der Einsatzbetrieb mit dem ganzen Papierkrieg nichts zu tun und bekommt so schnell wie möglich von uns einen Ersatz», so Pavan.  Ausserdem müssten viele grössere Unternehmen auf ihren Head Count achten. «Da Temporärarbeitende nicht als Mitarbeiter des Unternehmens zählen, belasten sie die Lohnkasse nicht und erhöhen den Head Count nicht.»

Anspruch auf Weiterbildung

Diese Tatsache und die Flexibilität lassen sich Unternehmen auch gern etwas kosten; denn Temporärmitarbeiter sind zwischen 30 und 50 Prozent teurer als Festangestellte. Das liegt zum einen daran, dass die Arbeit nach Stunden abgerechnet wird, und zum anderen will natürlich auch der Vermittler noch etwas daran verdienen. Flexibilität hat eben ihren Preis. Und auch die Temporärarbeiter können davon profitieren. Gerade weil jede Stunde bezahlt wird, stehen die meisten nicht schlechter da, als in einer Festanstellung.

Und noch eine Besonderheit bieten temporäre Anstellungen: Nach 176 Stunden Einsatz haben die Angestellten seit 2012 Anspruch auf eine Weiterbildung. Bis zu 5000 Franken Ausbildungskosten und bis zu 2300 Franken für den Lohnausfall steuert der Weiterbildungsfonds Temptraining bei. Voraussetzung ist natürlich, dass die Weiterbildung der Arbeitsmarktfähigkeit dient und bei einem anerkannten Anbieter durchgeführt wird. Weitere Infos unter: www.missmoneypenny.ch

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